Jerusalem-Newsletter Juni 2023



Verehrte Freunde!

Mai und Juni hatte ich überwiegend den Eindruck: Wir müssen das Versäumte aus Corona-Zeiten nachholen. Und Neues kam hinzu. Jedenfalls sah mein Kalender so aus.
Ich war dieser Tage viel unterwegs. Konnte Freunde und Wohltäter treffen. Durfte über Aktuelles aus dem Heiligen Land und zur Situation der Christen berichten.

A propos viel unterwegs. Wir sind wieder mobil. Unser Österreichisches Pilger-Hospiz konnte dank zweier großherziger Spender zwei Autos ankaufen; einen Neuwagen Marke Toyota Corolla und einen Gebrauchtwagen Marke Honda Civic. Wir haben dabei bewusst auf Typen geachtet, die hier im Land weitverbreitet sind und gut gewartet werden können – und zudem groß genug sind für Abholungen vom Flughafen und Koffertransporte ins Gästehaus.

Den Spendern sei ein ausgesprochen herzlicher Dank! Da ist zuallererst die Diözese St. Pölten zu nennen, die sich in der schweren Krise der Pandemie wiederholt als zuverlässiger Helfer in der Not bewiesen hat. Und auch unser Hospiz-Freundeskreis: Die Österreichische Gesellschaft vom Heiligen Land.

Wir erfreuen uns im Moment einer sehr guten Auslastung des Gästehauses und kommen insofern gut über die finanziellen Runden. Doch sind solche notwendigen Anschaffungen freilich eine zusätzliche Belastung des Haushalts. Die beiden Vorgängermodelle – ein VW Golf und ein Ford Transit – waren deutlich in die Jahre gekommen und verursachten durch häufige Reparaturen nicht mehr zu rechtfertigende Kosten. In den Jahren der Pandemie konnten wir freilich auf Autos verzichten, doch mit der Rückkehr der Pilgergäste gehört Mobilität natürlich zu einem reibungslos funktionierenden Betrieb dazu.

Pilgrim

Unser Österreichisches Pilger-Hospiz wurde Anfang Juni als neuer Partner des Pilgrim-Netzwerkes zertifiziert. Unser Engagement im Pädagogischen Begleitprogramm für unsere Freiwilligen (vormals Auslandszivildienst) brachte uns diese Ehre ein. PILGRIM verknüpft unter dem Motto  „Bewusst leben – Zukunft geben“ Bildung für Nachhaltige Entwicklung mit einer religiös-ethisch-philosophischen Bildungsdimension. Sie richtet den Blick auf eine nachhaltig gesicherte Zukunft durch Ermutigen zum verändernden Handeln und durch Stärken von Vertrauen in der Gegenwart. Durch den „anderen“ Blick auf die Wirklichkeit soll Motivation geschaffen werden, das eigene Handeln in Verantwortung und Respekt vor allem Lebendigen zu ändern.

Eine spirituelle Sichtweise gibt im Leben als „Vierte Dimension“ Orientierung im Spannungsfeld von Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Spiritualität kann dabei unterschiedlichste Bildungsinhalte anreichern und zusammenführen, den ganzen Menschen erfassen und Engagement für nachhaltige Entwicklung fördern. Wer um das Wozu weiß, kann sein Verhalten ändern. Jede Bildungsebene hat Wirkungen nach innen und besonders nach außen: Aus ihrem Kern, der Spiritualität, erwachsen die Werte und Grundhaltungen, die sich unter anderem in der Unternehmenskultur manifestieren. Alle Fachbereiche und Wissenschaftszweige bringen ihre Fragen und Antworten so ein, dass die Tiefendimension der Wirklichkeit spürbar wird.

Weitere Infos dazu finden Sie auf www.pilgrim.at

Linz, Innsbruck und Klosterneuburg

Wie Sie gewiss wissen bin ich auch Ritter des Ordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Das gehört für mich zum Selbstverständnis meines Lebens im Heiligen Land. Im Kreise der Ordensgeschwister haben wir eine hohe Trefferquote. Was ich damit meine? Nun, der Orden verbindet Menschen zu einer Gemeinschaft, die ein hohes Interesse am Wohlergehen der Christen im Heiligen Land haben. Und damit auch an unserem Hospiz. Viele Ordensgeschwister helfen uns über die Maßen bei unseren Aufgaben. Sei es durch Spenden für unsere Sozialprojekte, sei es durch Hilfe bei unseren Renovierungsarbeiten.

Der Orden ist in Komtureien unterteilt; wobei deren Grenzen nicht immer ident sind mit den Bundesländern. In den letzten Wochen durfte ich zu Gast sein in den Komtureien Linz, Innsbruck und Klosterneuburg.
Innerhalb der Komtureien ist ein monatliches Treffen obligatorisch. Man trifft sich abends, feiert gemeinsam die Heilige Messe, teilt ein kleines Mahl und anschließend lauscht man geneigt einem Festredner.

Thema war – wenig überraschend – „Aktuelles aus dem Heiligen Land“. Wenn denn nun schon ein österreichischer Grabesritter im Heiligen Land lebt (und das nun schon beinahe 20 Jahre), so lädt man doch eher diesen zu solchen Themen ein als einen der vielen „Experten“, die sich ihre Beobachtungen am grünen Tisch zusammenreimen (der kleine Seitenhieb sei mir bitte erlaubt).

Meinen Vortrag hatte ich in vier Punkte unterteilt: Die aktuelle Sicherheitslage im Land / die Demonstrationen rund um die Justizreform / die Lage in den palästinensischen Gebieten und die Frage nach der möglichen Nachfolge im Amt des Präsidenten / die Situation der Christen im Land nach den Anfeindungen und Vandalismusakten zu Beginn des Jahres.

Wenn wir eines gelernt haben in der Zeit der Pandemie: Es ist für mich immens wichtig, solche Einladungen in Österreich (und auch Deutschland) unbedingt anzunehmen! Denn wie wollen wir sonst Kontakt halten zu Freunden, ein Netzwerk der Hilfsbereitschaft knüpfen, das uns in Zeiten großer Herausforderungen beisteht?!!

Generalversammlung

Auch hier. Corona machte uns das Leben schwer. Die statutengemäß überfällige Generalversammlung unseres Freundeskreises konnte endlich am 21. Juni im Wiener Churhaus der Dompfarre St. Stephan stattfinden. Noch nie seit dem Bestehen der Österreichischen Gesellschaft vom Heiligen Land (von den Anfangsjahren unter dem Vorsitz von Bundespräsident a.D. Dr. Kirchschläger abgesehen) waren so viele Freundinnen und Freunde des Hauses der Einladung gefolgt.

Das Präsidium trat unter dem Vorsitz von Georg Habsburg-Lothringen zusammen, der dafür eigens aus Paris anreiste, wo er aktuell Ungarn als Botschafter repräsentiert. Die Tagesordnug wurde wie vorgeschlagen ohne weitere Anträge angenommen, den Beginn machte der aktuelle Bericht des Rektors. Ich gestehe gerne: Ich war hier noch ganz im Modus meiner Vorträge bei den Grabesrittern. Einzig ein großes Thema kam hier hinzu: Die dringend anstehende Generalsanierung des Hauptgebäudes! Seit der Eröffnung der Casa Austria 2019 ist hier der Handlungsbedarf nur noch manifester geworden.

Gegenstand der Rechnungsprüfung waren die Jahre 2016 bis 2023; es gab keinerlei Beanstandungen, der Vorstand konnte einstimmig entlastet werden.

Das Präsidium wurde in seiner bestehenden Konstellation bestätigt; darüber freue ich mich sehr! Wir haben hier ein Exekutivgremium an unserer Seite, auf das unbedingt Verlass ist und sich bewährt hat.

Der Freundeskreis zählt im Moment 619 Mitglieder. 312 Mitglieder sind insofern aktiv als sie auch den jährlichen Mitgliedsbeitrag entrichten. Das darf uns nur bedingt überraschen, wie ich meine; denn viele unserer Freunde sind uns treu seit den Tagen der Wiedereröffnung des Hospizes im Jahre 1988 – und womöglich bereits hochbetagt. Durch lange lange Jahre hindurch haben sie alle ihre Beiträge entrichtet, doch angesichts notwendiger Pflege und hoher Inflation verstehe ich ihre Lage nur allzu gut wenn mich immer wieder Briefe und Postkarten erreichen, in denen man mich um Verständnis bittet, wenn man nun nicht mehr so tatkräftig helfen kann. Bei mir überwiegt deutlich die Dankbarkeit für ihre langjährige Treue zu unserem Haus und gewiss nicht der Gram über eine vermeintlich mangelnde Zahlungsmoral.

Meine penetrant regelmäßigen Bettelbriefe in Zeiten der Krise haben auch dazu geführt, dass wir 213 neue Mitglieder in den letzten beiden Jahren gewinnen konnten. Das ist eine wirklich beeindruckende Zahl. Dadurch ist unser Altersdurchschnitt gesunken und die Spendenfreudigkeit gestiegen.

Den jährlichen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 20 Euro haben wir in dieser Versammlung allerdings nicht erhöht. Zum einen wollen wir in Zeiten hoher Lebenskosten nicht unnötig Menschen belasten, zum anderen hat sich gezeigt, dass viele Freunde ihren Beitrag ohnehin selbstverständlich – zum Teil sehr kräftig – aufrunden. Wir sehen also: Es funktioniert auch so. Ich kann nur stets danken!

Das in seiner Funktion bestätigte Präsidium hat als erste Amtshandlung 29.149,00 Euro freigegeben, um uns bei der Anschaffung zweier Autos – gemeinsam mit der Diözese St. Pölten – zu helfen. Diese Summe speist sich aus besagten Beiträgen und Spenden und ist uns eine große Hilfe in dieser Phase, in der wir erst so langsam wieder auf unseren eigenen Beinen zu stehen kommen.

 

Unser Youtube-Kanal

Es gibt Neuzugänge an Videomaterial auf unserem Youtube-Kanal Österreichisches Hospiz Jerusalem. Bitte sehen Sie sich das unbedingt an! Sie finden hier nicht nur Videos, die in der Zeit der Pandemie entstanden sind, sondern auch Material, das Ihnen das Heilige Land näher bringt. Im Laufe der Zeit wurden wir in diesem Bereich zunehmend professioneller. Viele nützen dieses Angebot gerade auch für die Vorbereitung Ihrer eigenen Pilgerreise in das Heilige Land.

Neu sind drei Videos mit den Lebenszeugnissen und Berichten dreier Holocaust-Überlebender, die wir mit unseren Freiwilligen besucht haben. Daniela Epstein hatte für uns diese Besuche arrangiert. Mir selbst war wichtig, dass unsere jungen Leute im Haus Holocaust-Opfern zuhören, die selbst aus Österreich stammen oder aber in Österreich in einem Lager interniert waren. Diese Zeugnisse in der eigenen Muttersprache zu hören, womöglich sogar im eigenen Dialekt, hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Diese Schicksale trugen sich nicht „irgendwo“ zu, sondern bei uns zu Hause. Insofern erwächst uns hier eine bleibende Verantwortung.

Geboren 1923 in Wien, flüchtete Zwi Nigal 1939 nach Palästina und kämpfte in der britischen Armee gegen Nazideutschland. Sein Vater wurde im Holocaust ermordet. 1946 kehrte Zwi als britischer Soldat nach Wien zurück, wollte hier aber nicht mehr leben. Er schloss sich der paramilitärischen Untergrundorganisation Hagana an und kämpfte 1948 im israelischen Unabhängigkeitskrieg. Seit seiner Pensionierung hält er als Zeitzeuge Vorlesungen vor jährlich etwa 1.500 Schüler:innen in Deutschland und Österreich.
2021 erhielt er gemeinsam mit weiteren Zeitzeug:innen den Simon-Wiesenthal-Preis für sein zivilgesellschaftliches Engagement gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust.

Geboren 1937 in Wien, war das Verlassen der Gebiete in Nazi-Herrschaft für Robert Perlez von unzähligen Hürden gezeichnet. Mit seiner Mutter floh er als Kleinkind aus Wien, mit dem Ziel Spanien zu erreichen. Auf einige Monate unbehelligten Aufenthalts in Frankreich folgte trotzdem bald die Deportation nach Ausschwitz, nur er allein konnte dieser damals mit viel Glück entkommen. Als von da an elternloses Kind musste sich Robert früh alleine durchschlagen und auf die Güte französischer Landsleute hoffen, um schließlich von einer Pflegefamilie in der Schweiz aufgenommen zu werden. Später konnte er schließlich Kontakt zu seiner einzigen Überlebenden Verwandten in Tel Aviv herstellen und emigrierte ins damalige Palästina um der Armee als Helikopterpilot beizutreten. Als nun pensionierter Flugzeugtechniker ist Robert aktiv und hält Beziehungen nach Österreich und in die Schweiz.

Geboren 1920 in Wien in eine arme Familie mit seinen Eltern im Konfektions- und Kunstkleingewerbe war Otto Nagler früh Teil der Zionistischen Jugendbewegung. Während seiner Eltern nach Italien flohen machte er mit seinen Geschwistern 1939 Alijah nach Palästina. Durch sein Studium und seine langjährige Tätigkeit in der Hydrologie/Wassertechnik bekam er die Möglichkeit, an internationalen Bewässerungsprojekten teilzuhaben. Als Teilnehmender beim Technischen Hilfswerk konnte er Entwicklungshilfe für den Staat Israel leisten. Auch im Ruhestand übte der heute 103-jährige noch eine Lehrtätigkeit im Bereich der Wassertechnik aus.

Akademie Österreichisches Pilger-Hospiz

Von 1895 an führte unser Pilger-Hospiz den Zusatz „österreichisch-ungarisch“; lange nach dem Ende der Monarchie wirkten noch ungarische Vize-Rektoren in Jerusalem. Nicht so sehr das politisch-monarchische sollte betont werden, sondern die Provenienz unserer Pilgergäste. Wobei nicht Staaten in ihren heutigen Grenzen gemeint waren, sondern die beiden Reichshälften. Deshalb freut es uns auch immer wieder wenn wir auch heute Kooperationen mit Kulturschaffenden Mitteleuropas unseren Gästen anbieten können.

Am 9. Mai luden wir mit dem Tschechischen Repräsentationsbüro in Ramallah zu einem Konzert des Künstlerduos Terezie Fialová (Piano) und Jiří Bárta (Violoncello). Sie überzeugten durch die leidenschaftliche Darstellung unterschiedlichster Stücke, von Komponisten wie Beethoven, Dvořák und Martinů.

Die zweite Kooperation führten wir mit den ungarischen Künstlern László Stachó (Piano) und Zsófia Bódi (Soprano) von der Liszt Akademie in Budapest durch. Unter dem Titel „An evening in Hungary“ wurde das Publikum in eine Atmosphäre des Ungarns von gestern versetzt, dieser Effekt konnte durch Werke von Komponisten wie Liszt, Erkel und Kurtág erzielt werden.

Diese Konzerte waren ein großer Erfolg, und sind nicht die letzten ihrer Art. Übrigens steht die Idee im Raum Meisterkurse für junge talentierte arabische und israelische Musiker in Kooperation mit Künstlern der Liszt Akademie anzubieten, dazu aber Genaueres sobald die Umsetzung konkret wird.

Das Goldene Ehrenzeichen

Bundespräsident Dr. Alexander Van der Bellen hatte die Freundlichkeit, mir das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich zuzuerkennen. Überreicht wurde das Ehrenzeichen im Rahmen eines Festaktes durch Frau Bundesministerin Karoline Edtstadler im Österreichischen Pilger-Hospiz. Die Laudatio hielt der Dekan des Polis-Institutes in Jerusalem, Dr. Christophe Rico.

Im Fokus der Evaluierung der in Rede stehenden Verdienste standen die Fertigstellung des neuen Gästehaustraktes Casa Austria (und damit einer Stärkung der österreichischen Präsenz in Jerusalem) und das erfolgreiche Führen des Betriebes durch die Pandemie; einer Zeit, in der wir von Rechts wegen weder Anspruch auf österreichische noch israelische Hilfszahlungen hatten und wir einig auf unsere Freunde vertrauen konnten. In Summe konnte ich in dieser Zeit 940.000 Euro an Spenden zugunsten des Österreichischen Hospizes zusammentragen. Ohne diese gemeinsame Anstrengung wäre das Haus heute in Konkurs.

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