Jerusalem-Newsletter Januar 2023

 


Wohlgemut und doch vorsichtig

Wohlgemut gehen wir in dieses Neue Jahr. Unsere Pilger-Herberge an der Via Dolorosa erfreut sich gottlob wieder – nach den massiven Herausforderungen der letzten Jahre, die wir gemeinsam meistern konnten – einer steigenden Auslastung. Mit dem Beginn der Semesterferien im Februar sind wir bis Ende Mai beinahe durchgehend ausgebucht. Wer unter Ihnen eine Pilgerreise plant, sollte mit einigem Vorlauf sein Wunschdatum festlegen.

Ich bin ein grundsätzlich optimistisch gestimmter Mensch. Auch wenn kein  Ende des Krieges in Europa in Sicht ist und uns die Inflation unverändert belastet, blicke ich doch zuversichtlich in diese kommenden Monate. Ein Christ darf immer hoffen; auch auf das Gute im Menschen.

Gleichzeitig kennen Sie mich. Ich betrachte die Dinge des Lebens nüchtern, rational, auch kritisch. Was unser Hospiz angeht, so sehen wir beides: Reservierungsanfragen und auch Stornierungen. Die Prognose für 2023 ist gut, doch mit Vorsicht zu genießen.

Zum einen wollen viele Menschen endlich wieder reisen und denken dabei auch an eine Pilgerfahrt in das Heilige Land. Zum anderen gibt es Gruppen, die bereits seit langem planen – und nun damit konfrontiert sind, dass die Preise für Flugtickets steigen. Bei manchem Reiseanbieter führt dies zu Nachforderungen, die eine Pilgerreise durchaus unerschwinglich werden lassen. Vor allem, wenn man noch nicht weiß, wie die eigene nächste Stromrechnung aussehen wird. Sie sind mittlerweile gut beraten, wenn Sie mit etwa 2.100 Euro pro Person rechnen. Gewiss: Es geht auch teurer und ebenso billiger – wenn Sie bereit sind, auf einiges zu verzichten.

Sie wissen, die Lebenskosten in Israel waren schon lange höher als zu Hause; in den letzten Monaten haben auch hier die Preise nochmals deutlich zugelegt. Ein Restaurantbesuch und der kleine Einkauf im Supermarkt kostet definitiv mehr als wir es gewohnt sind.

Manche Reiseveranstalter weichen deshalb vermehrt auf Unterkünfte in Bethlehem aus. Das ist insofern gut als in der Vergangenheit von christlichen Unternehmern immer zu hören war, dass ein Besuch der Geburtskirche alleine noch nicht zu einer gediegenen Wertschöpfung in der Stadt führt. Ob das allerdings wirklich dazu führt, die Preise für eine Gruppenreise zu senken … denn ein Bus kostet pro Tag mehrere Hundert Dollar; eine Summe, die sich eventuell einsparen lässt, wenn Sie näher an den Heiligen Stätten wohnen.

Hinzukommt auch der Wechselkurs zum israelischen Schekel, der für die Euro-Länder nicht von Vorteil ist, für andere wiederum schon. Im Herbst hatte ich mehrere amerikanische Gruppen im Haus zu Gast, die unabhängig voneinander bei uns Quartier bezogen. Ein neues Phänomen, das auch Fragen aufwirft. Ist das unsere primäre Zielgruppe? Können wir es uns nach Corona leisten, auf Gruppen aus Europa zu warten, die vielleicht nie kommen. Sie erahnen die Antwort: Nein und Ja. Und dennoch sind wir für jeden Pilger da, der die Heiligen Stätten Jesu besuchen möchte.

Wohlgemut gehen wir in dieses neue Jahr. Doch kann ich nicht ausschließen, dass es am Ende ganz anders aussehen wird als erhofft. Wir werden sehen. Und vertrauen dabei auf Gottes Hilfe.

Mittendrin und doch nicht Teil

Mittendrin und doch nicht Teil. Zwischen West- und Ost-Jerusalem liegt die Altstadt. Sie ist selbst wiederum in vier Viertel unterteilt. Unser Hospiz liegt als christliche Einrichtung im muslimischen Viertel. Das eröffnet Chancen. Chancen, die wir nicht missen wollen. Für Begegnungen zwischen Israelis und Palästinensern.

In dieser Hinsicht sind wir „neutraler Boden“. Wir sind nicht Teil des Nahostkonfliktes und so vorurteilsfreier Gastgeber für jene Menschen, die miteinander ins Gespräch kommen wollen. Manche dieser Begegnungen scheitern daran, dass für alle gleichermaßen erreichbare und akzeptable Räumlichkeiten nicht gefunden werden bzw. ein gemeinsames Budget für die Verpflegung während des Tages fehlt. Hier helfen wir gerne weiter. Gastgeber zu sein, ist unsere ureigenste Aufgabe. Wenn es der Förderung des wechselseitigen Respekts und Kennenlernens dient, dann erfüllen wir damit auch unsere Statuten, in denen es heißt, den Dialog der abrahamitischen Religionen zu fördern.

Auch wenn manche den großen politischen Kontext im Moment anders deuten: Es gab und gibt sie immer, kleine Gruppen, die konstant bemüht sind, den Gesprächsfaden zum Frieden nicht abreißen zu lassen. Nach der Zeit der Pandemie treten solche Gruppen wieder öffentlich in Erscheinung und auch an uns heran. Auch das gibt Hoffnung.

Am 27. November 2022 durften wir bei uns die Initiative Amal-Tiqwa willkommen heißen, die beiden Worte stehen im Arabischen und im Hebräischen für „Hoffnung“. Diese Initiative versteht sich als Beratung für friedensorientierte Nichtregierungsorganisationen sowohl in Israel als auch in Palästina. Gegründet 2019 versammelt die Gruppe Philanthropen und Fachexperten unterschiedlicher Herkunft und Organisationen zum Aufbau nachhaltiger und evaluierbarer zivilgesellschaftlicher Friedensprojekte im gesamten Heiligen Land, zugunsten von Israelis und Palästinensern.

Amal-Tiqwa will die nächste Generation an ortsansässigen Friedensaktivistin erreichen und heranbilden. Zum Auftakttreffen im Hospiz folgten 15 Israelis und Palästinenser unserer Einladung, die sich nun in ein 5-monatiges Programm begeben, in dem sie unter fachlicher Anleitung Wissen und Fertigkeiten zum Thema „Peacebuilding“ erwerben werden.

Klingt das hochtrabend für Sie? Mag sein.
Klingt das auch vernachlässigbar, weil 15 Menschen alleine nicht den großen Frieden bringen werden? Mag sein.
Doch: Wir unterstützen jede Initiative, die dem Frieden dient. Den „Luxus“, es nicht zu tun, haben wir nicht.

Online-Angebot des Österreichischen Hospizes

Auf unserem Youtube-Kanal Österreichisches Pilger-Hospiz Jerusalem finden Sie jetzt ein neues Video. Eine virtuelle Tour durch die Grabeskirche, die Ihnen die verschiedenen Kapellen und Nischen der Kirche mit „Originaltönen“ der christlichen Traditionen in Jerusalem vorstellt.

Lassen Sie sich inspirieren!
Unser Kanal ist auf youtube leicht zu finden und für jeden frei zugänglich.

https://www.youtube.com/@osterreichischespilger-hos7511

Ganz genauso auch unsere Gedanken zum Sonntagsevangelium auf Soundcloud.

https://soundcloud.com/markus-stephan-bugnyar

Akademie Österreichisches Hospiz Jerusalem

Unsere Akademie zielt darauf, verschiedene historische, gesellschaftliche, politische und kulturelle Aspekte des Heiligen Landes in Form von Ausstellungen, Konzerten, Publikationen, Begegnungen und Vorträgen wissenschaftlich fundiert zu erarbeiten. Der religiöse Aspekt kommt dabei nicht zu kurz: Religion durchdringt hier ganz selbstverständlich alle Bereiche des Lebens.

Drei aktuelle Projekte darf ich Ihnen heute vorstellen: 

1. In Kooperation mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hielt Dr. Felix Höflmayer (Österreichisches Archäologisches Institut) zum Nationalfeiertag einen Vortrag über die österreichischen Beiträge zur Biblischen Archäologie des Heiligen Landes. Der Name Ernst Sellin und dessen Ausgrabungen am Tell Taanach und in Jericho (Tell es-Sultan) sowie in Sichem (Tell Balata) ist hier von unschätzbarem Wert und dominierte die Präsentation.

Aktuell sind österreichische Archäologen sehr erfolgreich im Heiligen Land, in Lakhish, am Werk – und möglicherweise auch bald bei uns im Österreichischen Pilger-Hospiz. Sie erfahren mehr sobald wir Ergebnisse vorzeigen können.

2. Anlässlich der 200-jährigen Feier der Unabhängigkeit des Staates Brasilien kooperierte das Brasilianische Repräsentationsbüro in Ramallah mit dem Österreichischen Hospiz für eine Ausstellung zur Reise in das Heilige Land von Kaiser Dom Pedro II. Im Rahmen der Eröffnung wurde zuerst eine Dokumentation zur Reise des Kaisers gezeigt, die die Orte, wie sie heute aussehen, präsentierte und mit den dazu geschriebenen Tagebucheinträgen des Österreich-stämmigen brasilianischen Kaisers kombinierte. Aus dem Salon ging es hernach in die Galerie am zweiten Stock, in der eine Ausstellung historischer Fotos die Präsentation vervollständigte.

3. Es entspricht einer liebgewonnenen Tradition, österreichische Künstler ins Hospiz einzuladen; zum Teil in Kooperation mit dem Österreichischem Kulturforum in Tel Aviv. Ein Konzert der österreichischen Musikerduos „Sain Mus“, bestehend aus Florian Sighartner (Violine) und Phillip Erasmus (Gitarre) faszinierte das Publikum in unserem Salon, das sich aus Gästen des Hauses und Freunden aus der Stadt zusammenfand.

Zivilersatzdienst im Ausland

Seit der Wiedereröffnung unseres Pilger-Hospizes gibt es auch die Möglichkeit, seinen „Zivilersatzdienst im Ausland“ bei uns zu leisten. Seit 2016 stellt dafür das neue Freiwilligengesetz den rechtlichen Rahmen bereit. Der 12-monatige Einsatz für junge Männer in dieser Region dient der kulturellen und sozialen Horizonterweiterung und versteht sich mit einem „Pädagogischen Begleitprogramm“ als Ausbildungsverhältnis, das bereits vor dem Dienstantritt mit einem drei-tägigem Vorbereitungsseminar im Schloss Puchberg in Wels seinen Auftakt nimmt.

Der Jahrgang 2022/23 (Dienstbeginn ist immer im Laufe des Sommers) erlebte in den letzten Wochen ein geradezu „idealtypisches“ Programm, das christliche, jüdische und muslimische Aspekte aufgriff und vertiefte. 

1. Besonders wichtig ist mir persönlich dabei die Begegnung mit Überlebenden des Holocausts. Solange wir die Möglichkeit haben, den Zeitzeugen dieser Verbrechen zuzuhören, müssen wir dies auch tun. Gerade jungen Menschen muss diese Chance eröffnet werden; damit das „Nie wieder“ auch mit Leben gefüllt wird.

2. Ein Besuch von Felsendom und AlAqsa-Moschee ist seit der Zweiten Intifada nur noch mit Sondergenehmigung möglich. Die muslimische Religionsgüterverwaltung, das Waqf in Jerusalem, ist uns hier sehr wohlgesonnen. Unsere lange Zeit als „arabisches Krankenhaus“ in der Altstadt ist nach wie vor den Menschen hier in guter Erinnerung. Das Innere der beiden Moscheen ist beeindruckend und überwältigend; ein Zeugnis historischer Größe und gelebten Islams in der Heiligen Stadt.

3. Zum pädagogischen Begleitprogramm gehört jedes Jahr die Führung durch P. Dr. Gregor Geifer ofm durch die Grabeskirche. Das heutige Erscheinungsbild der Kirche versteht sich nicht von selbst und verwirrt oft genug den Pilger. Dank P. Gregor gelangt man dabei auch an Orte, die andernfalls nicht öffentlich zugänglich sind.

Weihnachten im Österreich-Hospiz

Glauben Sie mir: Gottesdienste alleine zu feiern, mag zwar fromm sein, doch mit anderen Mitfeiernden erhebt es erst so richtig die Seele zu Gott. Gottesdienst braucht Gemeinschaft. Das kann kein online-Format oder Streamingdienst ersetzen.

Die Christmette  hab ich dabei in Erinnerung. Endlich wieder mit einer vollen Kapelle und einer großen Schar an Ministranten. Hausgäste, die dankenswerter Weise spontan Dienste des Lektors und Kantors übernahmen und auch illustre Nachfahren unseres Gründervaters Franz Joseph fehlten nicht. Schön, dass auch in der Liturgie unseres Hauses wieder „Normalität“ einkehrt.

„Glory to the newborn King war am Christtag-Abend das Motto unseres diesjährigen Weihnachtskonzertes mit der österreichischen Sopranistin Julia Binek. Mozart, Strauss und bewährte Weihnachtslieder versetzten Herz und Gemüt in weihnachtliche Stimmung, deren Höhepunkt gewiss die Originalversion des „Stille Nacht“ von Gruber und Mohr war.

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